Vorsicht Kinder
Sascha Kösch
bleed@de-bug.de
Die beiden Leipziger Diana und Kai machen seit einiger Zeit
schon ihr eigenes Label Circuit Beats. Acid EP's in kleiner
Auflage, die einem endlich wieder den Spaß am analogen Groove
zurückbringen, witzig verzwirbelte Sequenzen und vor allem
eine Reduktion auf einfache, aber klare Sounds aus Rolands X0X
Serie. Eine Idee, die so einfach klingt, daß einfach niemand
das seit Ewigkeiten mehr machen wollte. Ihr Projekt A Dreams
A, das vermutlich mehr Leute von den diversen Liveauftritten
kennen, steht weder für Minimalismus, noch für Trance, weder
für extatische Modulation noch für irgendeine funktionale
Abfahrt. Es geht ihnen um ein friedliches, albernes, aber vor
allem produktives Zusammenleben mit ihren analogen Maschinen
und es eigentlich kein Wunder, daß es nach all den
grauenvollen Mißbräuchen von Acid so lange gedauert hat, bis
es wieder auf die entdeckende Art Sinn machen kann, jeden Tag
alles neu zuverkabeln.
Debug: Was genau steckt eigentlich hinter den Namen eurer
EPs, "Vorsicht Kinder" und "Spielplatz Kinder"?
ADA: Auf Vorsicht Kinder sind wir gekommen, weil uns das
Straßenverkehrsschild mit dem Mädchen und dem Jungen (Diana
und Kai) inspiriert hat. Unser Spielplatz ist der Gerätepark.
Und Kinder, wir lieben das Chaos und die einfache Denkweise
von Kindern. Da gibt es keine Berechnung, gut und böse sehen
sie einfach anders als Erwachsene, von denen wir uns
unterscheiden wollen. Wir denken, daß Kinder eher auf solch
spielerische Art Musik machen würden, als das die Großen so
tun.
Debug: Kann man noch Kind sein, wenn man beim Institut für
Troposphärenforschung arbeitet? Hat so eine Arbeit irgend
etwas mit der Musik machen zu tun?
Diana: Am Institut für Troposphärenforschung schreibe ich
meine Diplomarbeit. Einen Zusammenhang zur Musik gibt es durch
Mathematik und Physik. Wissenschaftler erklären viele
Phänomene mit der Ausbreitung von Wellen. Musik, Akustik lebt
ja auch davon. Außerdem habe ich mich schon immer für Technik
interessiert, mit Rechnern und Geräten habe ich täglich zu
tun. Kai baut normalerweise Küchen für die Hausfrauen
zusammen.
Debug: Warum Acid? Faszination für genau diese Maschinen?
ADA: Acid steht für saure Musik und schräge Klänge. Wir
sehen keine Verbindung zu Eurodance, zu dem, was heutzutage
Teenagern als Acid verkauft wird. Das hat für uns nichts damit
zu tun. Die Faszination besteht in den vielen Möglichkeiten,
in die Musik einzugreifen und sie mit Hilfe unzähliger Knöpfe,
Schaltern und Reglern zu beeinflussen. Für Platten selektieren
wir sehr stark aus vielen Stücken und denken nicht, daß jedes
Stück es Wert ist, herausgebracht zu werden. Natürlich ist
aber auch der finanzielle Aspekt ein Fakt, der den Output
begrenzt.
Debug: Ihr nennt, was ihr macht, analoge Acidträume, wie
realisiert man so etwas?
ADA: Die Art und Weise der Aufnahme bestimmt die Form
unserer Tracks, d.h. es wird ohne PC-Sequenzer gearbeitet. Das
bedeutet, alle Geräte sind ständig in Action und werden je
nach unserer Stimmung ein oder ausgefadet. Auch die
Filterbewegung wird nicht genau vorausgeplant. So wie die
Stücke dann auf Tape klingen, entsprechen Sie der momentanen
Atmosphäre, Laune, Stimmung, den Ideen, Fähigkeiten und den
äußeren Einflüssen. Acid hängt für uns immer untrennbar mit
Smileys zusammen. Unsere Maschinen wurden nun mal für
Acidtracks verwendet, das ist der Ursprung und wir versuchen
dies mit der heutigen Technik und unseren Gedanken zu koppeln.
Wir fügen das in unsere harte und stressige Zeit ein und
versuchen alle unsere Ideen umzusetzen und neue Wege zu gehen.
Wenn die Sequenzen einzeln laufen, kommen sie besser zur
Geltung. Weil wir monophone Geräte benutzen, entstehen solche
Stücke. Wir nutzen einfaches Equipment, das komplizierte
Effekte und Modulationssounds nicht zuläßt. Und wenn, wir
würden es nicht wollen, wir arbeiten daran, es so klar wie
möglich klingen zu lassen. Wir sind ständig dabei unsere
Verkabelungen zu ändern, was bei den analogen Geräten durch
zum Teil modulare Baukastenform sehr gut möglich ist. Stelle
Dir doch einen Kasten mit Legobausteinen vor. Da fällt Dir
bestimmt auch jedesmal was anderes dazu ein, wenn Du den
Haufen siehst. Wir gehen einfach mit offenen Augen durch die
Welt, sammeln neue Ideen und mögen keine Einbahnstrassen.
Debug: Wie versteht ihr euch mit den anderen in euerer
Umgebung?
ADA: Richtigen Austausch über Musik machen, technische
Probleme und so etwas pflegen wir nur mit den Chemnitzer
EchoRausch-Leuten, wo die Platten endabgemischt werden und von
denen das Stück "Kaugummi im Haar" stammt. Ansonsten entstehen
Kontakte mit allen möglichen Leuten aus unserer Umgebung und
überall, wo wir hinkommen.
Debug: Ihr wohnt zusammen, oder?
ADA: Ja, wir wohnen seit einem Jahr zusammen in einer
größeren WG und haben dort zwei Zimmer, von denen wir eins als
Wohnstudio umfunktioniert haben. Die Atmosphäre, hervorgerufen
durch unsere geliebten Ernie, Bert, Kermit, Maus und
Schlumpfplüschfiguren, erinnert doch stark an Kinderzimmer.
Debug: Was ist euer merkwürdigster Gedanke über analoge
Maschinen?
ADA: Bist Du in einem eiskalten Club, dauert es ewig, bis
sie warmoszilliert sind und richtig gut klingen. Das finden
wir lustig. Es kommt uns manchmal so vor, als würde es einen
kleinen Mann in den Geräten geben. Das Design fasziniert uns:
eckig, kantig, toll und mit vielen, vielen Knöpfen, Reglern,
Schaltern und Leuchtdioden. Sie laden uns immer wieder zum
spielen ein. Wir finden es einfach toll, aus einem Gewirr von
Kabeln, Reglern und Knöpfen, Töne zu produzieren und könnten
uns derartige Ideen mit kahlen Geräteoberflächen einiger
Maschinen nicht vorstellen. Analoge Maschinen stehen bei uns
für "technology you can trust".
Grade erschienen, aber z.Z. noch ohne Vertrieb: A Dreams A:
Spielplatz Kinder (Circuit Beats 003).
Contact: diana@tropos.de
Text von: Sascha Kösch |
aus: DB 08